Eine erfolgreiche Planung und Umsetzung eines klimaneutralen Quartiers erfordert eine gut organisierte Projektsteuerung über den gesamten Entwicklungszeitraum. In der Praxis muss die Zusammenarbeit von Politik, Planenden, Investierenden, Ausführenden, Zivilgesellschaft und Wissenschaft aktiv koordiniert werden. Im Vorhaben EnStadt:Pfaff wurde die Projektsteuerung untersucht und diesbezüglich Empfehlungen erarbeitet.
Projektsteuerung klimaneutrale Quartiere
Neue Konzepte erforderlich
Um ein klimaneutrales Quartier zu erreichen, müssen nicht nur fossile Energieträger durch lokale erneuerbare Energien ersetzt, sondern auch die Energieeffizienz erhöht und die Energieinfrastruktur umgebaut werden. Änderungen sind darüber hinaus im Bereich der Gebäude, der Mobilität und der Digitalisierung erforderlich.
Die Notwendigkeit der Transformation erfordert jedoch nicht nur den Einsatz von neuen Technologien, sondern auch weiterentwickelte integrierte Planungsprozesse, eine stärkere Beteiligung der verschiedenen Akteure und eine gezielte Steuerung der Transformationsprozesse. Für eine übergreifende Gestaltung dieser Transitionen fehlen jedoch bislang ausgereifte Konzepte, konkrete Strategien und entsprechende Praxiserfahrungen.
Notwendig für eine erfolgreiche Umsetzung von Quartiersentwicklungen mit ambitionierten Zielsetzungen ist eine adäquate „Orchestrierung“ der vielen Subprozesse, Aktivitäten, Instrumente und Akteursgruppen, um die teilweise divergierenden Interessen der verschiedenen Akteure und die weitere Gestaltung der Transformation zu managen. Im Projekt EnStadt:Pfaff wurde deshalb die Steuerung des Planungsprozesses in der Quartiersentwicklung untersucht, um Erkenntnisse über die Erfolgsfaktoren zu gewinnen.
Zur Begleitung und Evaluation des integrierten Planungsprozesses wurde mit der Stadt Kaiserslautern und in Zusammenarbeit aller Projektpartner ein formatives Evaluationskonzept umgesetzt. Innerhalb des Konsortiums wurden zu drei Zeitpunkten im Planungsprozess Interviews mit wichtigen Vertreterinnen und Vertretern der Quartiersentwicklung durchgeführt und ausgewertet. Dadurch konnten Veränderungen in der Wahrnehmung und Bewertung der Quartiersentwicklung und Projektsteuerung ermittelt werden. Die Ergebnisse wurden anschließend gemeinsam mit der Projektleitung und dem Konsortium reflektiert. Eine abschließende Befragung diente der Gesamtbewertung der Prozesse und der Prozessanpassung.
Interviews mit Akteuren des Projekts
Mit wichtigen Projektakteuren von EnStadt:Pfaff wurden zu drei Zeitpunkten des Projektes - zu Beginn, in der Mitte und in der Endphase - Interviews durchgeführt.
Hier wurden folgende Themen untersucht und diskutiert:
Wie kann eine gemeinsame Zielsetzung aller Beteiligten erreicht werden?
Welche Zielsetzung verfolgen die verschiedenen Beteiligten und welche Zielkonflikte ergeben sich dadurch?
Wie kann ein Konsens für die verschiedenen Interessen der Projektbeteiligten gefunden werden?
Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft fruchtbar und effizient gestaltet werden?
Wie kann man der Komplexität eines klimaneutralen Quartiers gerecht werden und den Überblick behalten?
Welche Rolle spielen Innovationen und wie kann man sie in die Praxis überführen?
Wie können neue Aspekte in etablierte Planungsprozesse integriert werden?
Hiermit konnten Veränderungen in der Wahrnehmung und Bewertung der Quartiersentwicklung und Projektsteuerung erfasst werden. Die Ergebnisse wurden gemeinsam mit der Projektleitung und dem Konsortium reflektiert.
Eine abschließende Befragung diente der Gesamtbewertung der Prozesse und der Prozessanpassung.
Ergebnisse
In den Interviews wurden folgende Erfahrungen bei der Entwicklung des Pfaff-Quartiers und dessen Begleitung durch EnStadt:Pfaff ermittelt:
Eine größere Zahl von unerwarteten Herausforderungen im Projektverlauf führten zu zusätzlichen Belastungen bei den Projektpartnern wie z.B. Sackgassen für Planungsansätze, zeitlicher Verzug der Planung und Umsetzung von Lösungsansätzen sowie hohe Abstimmungsaufwände und Reibungsverluste in der Zusammenarbeit.
Der große Bedeutung für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wurde deutlich in der erfolgreichen Umsetzung von Projekt-Highlights mit Leuchtturmwirkung, wie z.B. die Verabschiedung eines Leitbildes, des Bebauungsplans mit einer Solargründachpflicht und der Stellplatzsatzung, die ambitionierte energetische Sanierung denkmalgeschützter Gebäude, die Einrichtung eines Reallabor-Zentrums und der Bau der Energiezentrale.
Entscheidende Voraussetzungen für den Erfolg von EnStadt:Pfaff waren die kontinuierliche Steuerung des Projektes durch die gemeinsame partnerschaftliche Projektleitung aus Stadtverwaltung und Wissenschaft, die engagierte Bearbeitung der Fragestellungen durch die Projektpartner, die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit der Beteiligten und dem Eingehen von Kompromissen. Wichtig war auch die regelmäßige Anpassung der Arbeitsthemen, der Zusammenarbeit und der Laufzeit des Projektes an die Verzögerungen in der Umsetzung und an veränderte Randbedingungen. Weiter war die Entwicklung eines Leitbilds eine wertvolle Basis für eine gute Zusammenarbeit.
Erkenntnisse
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Das Projektmanagement eines solch anspruchsvollen Transformationsgeschehens muss auf vielfältige Herausforderungen eingestellt sein und genügend Flexibilität haben, um auf unerwartete Entwicklungen reagieren zu können.
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Klimaneutrale Quartiere erfordern eine integrierte Planung und damit die Zusammenarbeit unterschiedlichster Akteure. Aufgabe der Projektsteuerung ist es deshalb, das Verständnis zwischen den Akteuren unterschiedlicher Fachdisziplinen, die unterschiedliche „Sprachen“ sprechen, zu fördern und einen Ausgleich von Interessen zu moderieren.
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Im Reallabor-Projekt werden Innovationen in der Praxis demonstriert und erprobt. Für die Umsetzung von Innovationen müssen die Partner aus ihrer Komfortzone heraus, wozu eine ausreichende Bereitschaft vorhanden sein muss und wofür eine aktive Unterstützung durch die Projektsteuerung erforderlich ist.
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Die Umsetzung von Reallaboren mit Innovationen in Bezug auf eingesetzten Technologien wie auch Planungsprozessen erfordert die Aushandlung von divergierenden Zielen. Dies führt zu einem Mehraufwand gegenüber konventionellen, eingeübten Prozessen, weshalb ein erhöhter Bedarf an Ressourcen und Engagement bei der Durchführung von entsprechenden Leuchtturmprojekten berücksichtigt werden muss.
Das Projektmanagement für ein klimaneutrales Quartier muss die verschiedenen Perspektiven der Akteure zusammenführen und ausgleichen und dabei kontinuierlich die Erreichung der ambitionierten Gesamtziele und innovativen Lösungen verfolgen.
Hauptautor: Dr. Sebastian Gölz, Fraunhofer ISE
Mitautoren: Johanna Kucknat, Gerhard Stryi-Hipp, Fraunhofer ISE