Der Anteil „Graue Energie“ am Gesamtenergiebedarf von Neubauten beträgt nach Angaben des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR 30 % bis 40 %. Dieser nimmt mit steigender Gebäudeeffizienz weiter zu. Graue Energie ist die aufgewendete Energie für die Herstellung der Baumaterialien sowie für die Errichtung und den Rückbau von Gebäuden. Im Rahmen von EnStadt:Pfaff wurde hierfür eine Berechnungssoftware mit Materialdatenbank entwickelt.
Lifecycle Analysis (LCA)
Berechnungs-Software Umweltindikatoren LCA BAU
Beschreibung
Bis vor wenigen Jahren bezogen sich Untersuchungen zum Energiebedarf von Gebäuden und Quartieren im Wesentlichen auf die Energiebedarfe während der Betriebs- und Nutzungsphase.
Doch die gesamtökologischen Auswirkungen von Gebäuden während des gesamten Lebenszyklus sind zunehmend von Bedeutung, auch die Graue Energie sollte hierbei berücksichtigt werden.
Was ist Graue Energie?
Mit Graue Energie beschreibt man jene Energiemenge, die für die Herstellung von Materialien und Errichtung von Gebäuden inklusive damit einhergehender Transporte, aber auch für den Rückbau sowie das Recycling und die Entsorgung von Baustoffen benötigt wird.
Hierbei wird der Energieaufwand für sämtliche Vorprodukte bis hin zur Rohstoffgewinnung sowie von Prozessen, die der Betriebsphase nachgelagert sind, ermittelt.
Die Erfassung der Grauen Energie ermöglicht sowohl Vergleiche der Energieaufwendungen für verschiedene Konstruktionsweisen als auch für die gesamtenergetischen Aufwände. Dies ist von Bedeutung, da sich eine effiziente Gebäudekonstruktion mit einem geringen Betriebsenergiebedarf als gesamtenergetisch ungünstiger erweisen kann, wenn für die Effizienzmaßnahmen besonders energieintensive Materialien und Komponenten erforderlich sind.
Um die Graue Energie künftig bei der Auswahl der Materialien und Gebäudekonzepte berücksichtigen zu können, bedarf es einer systematischen Erfassung dieser Daten und eines einheitlichen Bewertungskonzeptes als Ergebnis von Lebenszyklusbetrachtungen.
Im Rahmen von EnStadt:Pfaff wurde deshalb eine Materialdatenbank für Gebäude unter Verwendung der Datenbasis ÖKOBAUDAT erstellt und darauf aufbauend die „Berechnungs-Software Umweltindikatoren LCA BAU“ entwickelt.
Die Software steht als Online-Anwendung im Internet zur Verfügung und ermöglicht die Berechnung der Grauen Energie und weiterer Umweltindikatoren von Gebäuden.
Ergebnisse
Im Rahmen des Forschungsprojekts EnStadt:Pfaff wurde eine Pilot-Software entwickelt, mit der die Graue Energie und die relevanten Umweltindikatoren von Gebäuden und den darin verwendeten Baustoffen ermittelt werden können.
Dargestellt wird jeweils das Gesamtergebnis aus der Verrechnung aller ausgewählten Datensätze und Mengeneingaben für die Graue Energie und weiterer Umweltindikatoren. Um die Berechnungen durchführen zu können, müssen die in einem Gebäude verwendeten Materialien und die eingesetzten Mengen bekannt sein.
Das automatisierte Auslesen von ÖKOBAUDAT Datensätzen und die Berechnung der Umweltwirkung anhand von Material und Menge bzw. Gewicht von Baumaterialien erlaubt einen schnellen Vergleich von Umweltwirkungen unterschiedlicher Baustoffe und Konstruktionsweisen.
Bereitgestellt wird die Software mit Hintergrundwissen, Dokumentation, Anleitung und Materialbeispielen unter: https://materialdatenbank.stoffstrom.org/
Die LCA-Software ...
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… umfasst etwa 1.000 Datensätze zu Baumaterialien
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… weist 22 Auswahlkategorien für Baustoffe mit 120 Elementen bzw. Unterkategorien auf
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… stellt Daten zu folgenden Parametern bereit:
KEA: Kumulierter Energieaufwand
KEV: Kumulierter Energieverbrauch
PERT: Primary Energy Renewable Total (Erneuerbare Primärenergie, total)
PENRT: Primary Energy Non-Renewable Total (Nicht-Erneuerbare Primärenergie, total)
PERM: Primary Energy Renewable Material (Erneuerbare Primärenergie zur stofflichen Nutzung)
PENRM: Primary Energy Non-Renwable Material (Nicht-erneuerbare Primärenergie zur stofflichen Nutzung)
GWP: Globales Erwärmungspotenzial
ODP: Abbau Potenzial der stratosphärischen Ozonschicht
AP: Versauerungs-Potenzial von Boden und Wasser
EP: Eutrophierungs-Potenzial
POCP: Photochemisches Bildungspotenzial für (bodennahes) troposphärisches Ozon -
… weist eine offen gestaltete Datenbank auf, die erweitert werden kann.
Erkenntnisse
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Kunststoffe (EPS, XPS, PVC, PA, PE etc.) weisen meist hohe spezifische Emissionen auf, werden aber nur in relativ kleinen Mengen eingesetzt, z.B. als Dämmmaterial oder für Kleinteile.
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Beton hat relativ geringe spezifische Emissionen, seine Umweltwirkungen sind aber bei Betonbauten groß, da er den überwiegenden Teil der Masse ausmacht.
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Aufgrund ihrer CO2eq-Neutralität beim Wachstum und der Bereitstellung weisen holzartige Baustoffe meistens, wenn auch nicht immer, sehr vorteilhafte Umweltwirkungen auf.
Links
Berechnungs-Software Umweltindikatoren LCA BAU:
https://materialdatenbank.stoffstrom.org/
Ökobaudat
https://www.oekobaudat.de/
https://www.oekobaudat.de/datenbank/suche.html
BBSR Forschungsprojekt Graue Energie
Link
Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu
https://www.rivm.nl/en/life-cycle-assessment-lca
Normen zur Ökobilanzierung
insbesondere: DIN EN ISO 14040:2006, DIN EN ISO 14041 bis 14043, DIN EN ISO 14044 - 2021-02, DIN EN ISO 14071, DIN SPEC 35803:2016-06, DIN EN 15978
Siehe hier
Um global die Klimaneutralität zu erreichen, muss künftig auch die Graue Energie von Gebäuden bewertet werden. Die LCA BAU Software ist ein erster Schritt hierzu.
Hauptautor: Manuel Schaubt, IfaS
Mitautor: Thomas Anton, IfaS