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Das ehemalige neue Verwaltungsgebäude der Pfaff-Fabrik wird künftig als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) genutzt. Eine besondere Herausforderung beim Umbau war die energetische Sanierung, da das äußere Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Gebäudes nicht verändert werden durfte. Trotzdem wurde mit dem KfW Effizienzhaus 70 Standard eine gute Gebäudeeffizienz erreicht, wobei die speziell angepassten Fenster und das Glasdach über dem Atrium eine wichtige Rolle spielen.

Beschreibung

Um den Anforderungen des Denkmalschutzes gerecht zu werden und trotzdem eine hohe Gebäudeeffizienz zu erreichen, wurden folgende Maßnahmen der energetischen Sanierung umgesetzt:

Verkleinerung der thermischen Hüllfläche durch Überdachung des Innenhofs
Der ehemals offene Innenhof wurde mit einem Glasdach abgedeckt, das von Brettsperrholzträgern getragen wird. Dadurch wurde die Gebäudehüllfläche gegen die Außenluft deutlich verkleinert und das Gebäude kompakter. Diese Maßnahme reduziert die Wärmeverluste erheblich, da der Innenhof nun eine thermische Pufferzone darstellt. Das Glasdach ermöglicht weiterhin eine natürliche Belichtung der zum Atrium orientierten Räume, so dass kein zusätzlicher Bedarf an künstlicher Beleuchtung entsteht.

Der ursprüngliche Innenhof des Gebäudes wurde durch ein Glasdach geschlossen.

Innendämmung mit Holzfaserplatten und Dämmputz
Eine Außendämmung der Klinkerfassade war aufgrund des Denkmalschutzes nicht möglich. Deshalb wurde bei den Außenbauteilen eine Innendämmung mit Holzfaserplatten und Dämmputz eingesetzt. Holzfaserplatten bieten gute Dämmeigenschaften und sind diffusionsoffen, was die Feuchtigkeitsregulierung im Gebäudeinneren unterstützt und für ein angenehmes Raumklima sorgt. Der Dämmputz ist eine zusätzliche Dämmschicht und verbessert die thermische Hülle des Gebäudes.

Aufstockung in Holzbauweise

Der Ostflügel des  Gebäudes wurde um ein Stockwerk in Holzbauweise aufgestockt. Die Aufstockung erweitert den Wohn- oder Nutzraum, ohne die bestehende Bausubstanz übermäßig zu belasten. Holz ist ein hervorragender Baustoff mit guten Dämmeigenschaften und einer positiven CO₂-Bilanz.

Austausch der Fenster

Der Austausch der Fenster spielte eine entscheidende Rolle bei der energetischen Sanierung. Da eine außenliegende Verschattung aufgrund des Denkmalschutzes nicht möglich ist, war ursprünglich der Einsatz einer elektrochromen Verglasung geplant, bei der sich die Scheiben durch Anlegen einer elektrischen Spannung verdunkeln. Aufgrund der Kosten und der spezifischen Anforderungen im medizinischen Versorgungszentrum (z.B. ein natürliches Lichtspektrum), wurde diese Variante verworfen. Stattdessen wurden 4-fach verglaste Fenster mit Zwischenscheibenjalousie eingesetzt. Diese Fenster bieten hervorragende Dämmeigenschaften, wobei die Zwischenscheibenjalousie die Forderungen des Denkmalschutzes erfüllt und einen effektiven sommerlichen Wärmeschutz darstellt.

Die fensterintegrierten Jalousien erfüllen die Anforderungen des Denkmalschutzes

Nutzung von Fernwärme und Kälteanlagen

Als Wärmequelle wird der Vorlauf der städtischen Fernwärme genutzt. Ein Anschluss an das Quartierswärmenetz war aufgrund der späten Planung der Nahwärmeversorgung nicht mehr möglich. Außerdem werden im MVZ teilweise höhere Vorlauftemperaturen benötigt. Das Kältenetz im MVZ wird von zwei Kompressions-Kältemaschinen versorgt, die auf der Energiezentrale installiert sind und die Kälte über eine Direktleitung an das MVZ liefern. Die Abwärme der Kältemaschinen wird ins Quartiers-Wärmenetz eingespeist. Die Kältemaschinen werden über eine Direktleitung mit dem Strom von den PV-Anlagen auf dem MVZ-Parkhaus versorgt.

Wärmeverteilung über Flächenheizung
Die Wärmeverteilung im MVZ erfolgt über Klimadecken, die eine gleichmäßige und effiziente Wärmeabgabe im Winter und Kälteabgabe im Sommer ermöglichen. Dadurch konnten Heizkörper in den Räumen vermieden und die Vorlauftemperaturen reduziert werden.

Kundenanlage nach §3 Nr. 24a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ermöglicht Eigenstromnutzung der PV-Anlage auf dem MVZ-Parkhaus
Zum MVZ gehört das benachbarte Parkhaus mit Kopfbau, auf dem im großen Umfang PV-Anlagen installiert sind. Um den dort erzeugten Solarstrom im MVZ, auf dem aufgrund des Denkmalschutzes keine PV-Anlagen installiert werden können, nutzen zu können, wurden die beiden Gebäude durch eine Kundenanlage nach §3 Nr. 24a EnWG verbunden (früher Arealnetz genannt). Dies bedeutet, dass dieses Stromnetz von den Gebäudeeigentümern selbst installiert und betrieben wird. So kann der Solarstrom vom Nachbargebäude ohne Netzgebühren und Steuern kostengünstig als Eigenstrom genutzt werden. Der Anschluss zum Netz der allgemeinen Versorgung erfolgt durch einen regelbaren Ortsnetztrafo.

Daten und Fakten

Steckbrief MVZ
Baujahr: 1958
Bruttogrundfläche (BGF): 14.584 m²
Nutzungsfläche (NUF): 13.324 m²
KfW Standard: EH 70 Standard
Glasüberdachung Atrium: Fläche 700 m²
Glas: Isolierglas mit Ug-Wert 1,0 W/(m²K)
Brettschichtholzträger, Spannweite 20,00 m
Innendämmung Holzfaserplatten mit 6 cm Dicke, WLG 045
Holzintegralfenster vierscheibige Verglasung
Jalousie im äußeren Scheibenzwischenraum
U-Wert = 0,89 W/(m²K)
Wärmeversorgung: Anschluss an die städtische Fernwärme
Vorlauftemperatur gleitend bis etwa 120 °C
Wärmeverteilung: Deckenstrahlungsheizungen (Gipskartonplatten mit integriertem Heizrohr) als Heiz- und Kühldecke
  • Das MVZ nach der Sanierung

  • Lüftungsregister auf dem Dach des MVZ

  • Helle Räume mit individuellem Farbkonzept (Kinderarztpraxis)

  • Flächenheizungen anstelle von Heizkörpern (Behandlungsraum Kinderarztpraxis)

  • Lüftungsanlage

  • Historische Wendeltreppe

  • Lichtdurchflutetes Atrium

  • Atrium bei Abendlicht

  • Treppenaufgänge und verglaste Aufzüge

Ergebnisse

  • Der unter Denkmalschutz stehende ehemalige Verwaltungsbau aus dem Jahr 1958, konnte durch einen Mix von verschiedenen Maßnahmen auf den KfW EH 70 Standard saniert werden. Dies wurde erreicht durch die Überdachung des Innenhofs und durch Verbesserungen an der thermischen Gebäudehülle, die den Energiebedarf des Gebäudes erheblich reduzieren.

  • Durch Holzintegralfenster konnte ein wirksamer sommerlicher Wärmeschutz ohne außenliegende Jalousien und eine hohe Effizienz der Verglasung erreicht werden. Die schmalen Fensterrahmen entsprechen dem historischen Vorbild, so dass der Denkmalschutz auch diesbezüglich gewährleistet ist. Darüber hinaus wurde mit den Holzrahmen eine ökologisch vorteilhafte Lösung gewählt. 

  • Die Wärmeversorgung erfolgt aus der städtischen Fernwärme, die Kälteversorgung aus eigenen Kompressionskältemaschinen. Die Stromeigenversorgung mit Solarstrom erfolgt durch PV-Anlagen auf dem Nebengebäude, da beide Gebäude über ein eigenes Stromnetz verbunden sind (Kundenanlage nach §3 Nr. 23a EnWG).

Erkenntnisse

  • Die energetische Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes bedarf einer sorgfältigen Planung und sollte alle Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz nutzen.

  • Innovative Technologien wie Holzintegralfenster bieten eine energetisch gute Lösung, die auch den Anforderungen des Denkmalschutzes genügt, sie müssen jedoch mit den Herstellern an die konkreten Anforderungen angepasst werden.

  • Ein gemeinsames Stromnetz mit Nachbargebäuden (sogenannte Kundenanlage nach §3 Nr. 23a EnWG) ermöglicht es, günstigen Solarstrom vom Nachbargebäude zu beziehen.

Die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude auf einen niedrigen KfW Standard ist eine anspruchsvolle und faszinierende Aufgabe. Es erfordert innovative Lösungen und das Schwarmwissen aller Projektpartner, um den hohen Anforderungen des Denkmalschutzes gerecht zu werden. Das MVZ zeigt, dass historische Gebäude nicht nur bewahrt, sondern auch zukunftsfähig gemacht werden können.
Christian Persohn
Palatina Wohnbau, IG-CP